Spielzeug zum Mittelpunkt des Geschehens zu machen, war in den 90er Jahren ein geschickter Schachzug von Pixar, denn während die menschliche Mimik mit der neuen Technik noch hölzern wirkte, konnte den eindimensionalen Figuren so echtes Leben eingehaucht werden. Cowboy Woody, Astronaut Buzz Lightyear und ihre Mitstreiter entwickelten ein Eigenleben in Andys Kinderzimmer, mit dem sie stellvertretend menschliche Konflikte nachspielten, die gleichzeitig von den Klischees lebten, die Spielzeugfiguren ganz selbstverständlich vertreten.
Das die Pixar-Macher nach mehr als zehn Jahren auf diese Konstellation wieder zurückgriffen, verdeutlicht ihre Verbundenheit mit den “Gründungsmitgliedern”, denn der Film gewinnt seine innere Spannung aus dieser Zeitdifferenz. Woody und seine Freunde haben sich äußerlich nicht verändert, aber aus dem Kind, dem sie gehören, wurde inzwischen ein junger Mann, der schon lange nicht mehr mit ihnen spielt. Die Spielzeuge fristen deshalb ihr Dasein unbehelligt in einer großen Kiste, doch diese Phase der Gleichförmigkeit endet mit “Toy Story 3″, denn Andy verlässt das Elternhaus und muss zuvor sein Zimmer aufräumen.
Von Beginn an entwickelt sich eine Story, die generationsübergreifend funktioniert. Während die Spielzeuge kindgerecht agieren, erzählt der Film gleichzeitig eine Story über Veränderungen im Leben, ganz speziell über das Erwachsenwerden. Woody und seine Freunde verstehen ihre eigentliche Aufgabe als Spielkameraden eines Kindes, weshalb sie sich wie Arbeitslose fühlen, die nicht mehr gebraucht werden. Gleichzeitig empfinden sie sich als Andys Freunde, mehr noch als seine Familie - und Andy, konfrontiert mit der Aufgabe, sie auszusortieren, fühlt nicht anders. Dass er Woody in seine Kiste fürs College packt, während die anderen Figuren auf den Speicher sollen, wirkt mehr wie eine Verzweiflungstat, als eine überlegte Entscheidung. Wirklich trennen, kann er sich von ihnen - obwohl er ewig nicht mehr mit ihnen spielte - noch nicht, aber diese Tat bringt die zentrale Story ins Rollen.
Storytechnisch haben die Geschehnisse in Andys Kinderzimmer nur die Funktion einer Klammer, weshalb der Film erst zum Schluss wieder dorthin zurückkehrt, aber ohne die dort entwickelten Intentionen hätte der furiose Mittelteil nicht funktioniert. Was Pixar dort am Schauplatz eines Kindergartens entwickelt, ist großes Kino, das sich nicht scheut, aus vielen dramatischen Filmwerken zu zitieren. Diktatur und Folter, Mitläufertum und Klassenzugehörigkeit, Gefängnisausbruch und Flucht, ergeben hier ein Konglomerat, das zwar nie seinen spielerischen Touch verliert, trotzdem immer spannend und nachvollziehbar bleibt. Besonders die Figur des plüschigen, gemütlichen Teddybärs ist eine großartige Umsetzung hinterhältiger Figuren der Filmgeschichte, aber auch die Wahl des Barbie - Gegenstücks Ken als zwiespältige Persönlichkeit entspricht kongenial seinem Spielzeug-Ruf.
Neben vielen Action-Sequenzen, die trotz der 3D-Technik nie zu übertriebenen Effekten genutzt werden, sind es vor allem die emotionalen Momente, die Pixars Meisterschaft zeigen. “Toy Story 3″ ist - trotz der im Mittelpunkt stehenden Spielzeuge, die auch als solche wahrgenommen werden wollen - ein Plädoyer gegen den Materialismus. Es ist die Parallelität zwischen Ding und Leben, die die Qualität dieses Films ausmachen. Woody und Co. stehen einerseits als Persönlichkeiten stellvertretend für menschliche Personen, was der Film besonders in seinem Mittelteil auslebt, aber sie sind auch Gegenstände, die ernsthaft geliebt werden wollen.
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