Die Überlebenden des Zombieausbruchs befinden sich weiterhin auf dem Weg nach Washington D.C. Dort erhofft man sich eine sichere Zuflucht und Antworten auf viele Fragen. Doch Entwicklungen innerhalb der Gruppe verzögern die Reise. Rick und seine Freunde müssen ihre selbst definierten Regeln hinterfragen. Das ist jedoch nicht das einzige Problem. Es häufen sich merkwürdige Zufälle und der Verdacht macht sich breit, dass die Gruppe beobachtet wird. Gemeinsam mit einem neu zur Gruppe gestoßenen Priester suchen die Überlebenden Zuflucht in einer Kirche. Plötzlich verschwindet Dale und schnell wird klar, dass die Untoten nichts damit zu tun haben. Doch wer sind die Unbekannten, die im Verborgenen agieren und was bezwecken sie? Die Antworten auf diese Fragen zwingen Rick und seine Gefährten einmal mehr drastische Maßnahmen zu ergreifen.
“The Walking Dead” ist weit mehr als ein simpler Horrorcomic. Es handelt sich hierbei eher um ein Drama, dass zeigt wie sich Menschen unter extremen Bedingungen verändern und dabei alle moralischen Bedenken über Bord schmeißen. Unter diesem Gesichtspunkt verwundert es nicht, dass die Zombies immer weiter in den Hintergrund treten und den Menschen die Bühne überlassen. Trotzdem oder eher deswegen ist der elfte Band besonders grausig. Selten zuvor war ein Band dieser preisgekrönten Serie bedrückender. Agierten Rick und seine Mitstreiter bisher gemeinsam gegen Bedrohungen von Außen, kommt es nun zu Ereignissen innerhalb der Gruppe, die sie beinahe entzweien. Robert Kirkman schafft es die Argumente beider Parteien glaubhaft vorzubringen. Dadurch wird der Leser besonders intensiv involviert und fragt sich unweigerlich, welche Meinung er in einer ähnlichen Situation vertreten würde.
Eigentlich hat die Gruppe mit ihren Problemen schon genug zu tun. Zu allem Überfluss geraten Rick und seine Mitstreiter jedoch auch noch in das Visier einer anderen Gruppe von Überlebenden. Und dass nicht mit allen Überlebenden gut Kirschen essen ist, ist dem Leser und auch Rick noch seit den dramatischen Entwicklungen in Band 8: “Auge um Auge” in Erinnerung geblieben. Gerade die Erfahrungen, die die Gruppe mit dem Gouverneur von Woodbury gemacht haben, setzt Kirkman nun konsequent ein und präsentiert einen Helden, der immer weniger heldenhafte Züge aufweist. Vorbei ist die Zeit der Passivität. Kirkman dreht den Spieß um und lässt seinen Hauptdarsteller die Konfrontation suchen. Hier beweist der Autor einmal mehr sein Gespür für konsequente Charakterentwicklung. In den ersten Bänden hätte man Rick sein Verhalten noch nicht abgenommen aber über die Zeit gesehen kann man, so erschreckend das Verhalten auch sein mag, seine Beweggründe nachvollziehen.
Fast ebenso verstörend wie Ricks Entwicklung ist die Darstellung der Gegenseite. Kirkman verzichtet darauf die andere Gruppe als beschränkte gewaltbereite Idioten darzustellen. Er präsentiert kultivierte und intelligente Menschen, die für sich selbst einen gangbaren Weg in der entrückten Welt gefunden haben.
Einer der wenigen Punkte, die man Kirkman vorwerfen kann, ist seine abrupte Art manche Konflikte oder Handlungsansätze zu beenden. Immer wieder entsteht der Eindruck, dass er kleine Spuren legt um zu potentiellen Konflikten und spannenden Aspekten hinzuführen, diese Situationen dann aber schnell mit einer gewissen Holzhammermethode beendet. Ein ums andere Mal zieht er sich hier zu leicht aus der Affäre. Ein weiterer Kritikpunkt ist die einkehrende Stagnation. Bereits in Band 10 kam die Gruppe nicht wirklich voran und auch “Jäger und Gejagte” bringt die Überlebenden ihrem Ziel nicht näher. Die Begründung mit der die Reise unterbrochen wird, entbehrt einer gewissen Logik und führt, wie für “The Walking Dead” üblich, zu einer Katastrophe, die nicht alle Gruppenmitglieder überleben.
Lobenswert ist hingegen Robert Kirkmans Talent immer wieder neue Personen interessant in die Gruppe einzuführen. Hier beweist er seinen kreative Vielfalt, denn nie wirken die Schicksale der Personen ähnlich. Stets haben sie ihre ganz persönliche Hölle durchlebt und ein eigenes Paket an Sorgen zu tragen. Der Autor erzeugt sogar beim Leser Skepsis gegenüber jedem neuen Charakter. Bei der Vielzahl der gestörten Existenzen, die bereits ihren Auftritt in der Welt der Zombies hatten ist man dennoch immer wieder überrascht welche geheimnisvollen Personen Kirkman seinem Plot noch hinzufügt.
Die schwarz-weißen Bilder von Charlie Adlard können überzeugen. Geschickt wird der Wald, in dem ein Großteil der Handlung spielt, in Szene gesetzt. Der Leser ist sich nie sicher, ob es sich nur um einen im Schatten liegenden Ast handelt, oder ob es doch der Lauf eines Gewehrs, ein Zombie oder ein heimlicher Beobachter sein könnte. Der Einsatz von Licht und Schatten erinnert entfernt an John Carpenters “Halloween” (1978). Hier ließ der Regisseur den Zuschauer auch oftmals im Unklaren darüber, ob das Grauen im Schatten lauerte oder nicht.
Ein Manko am Artwork gibt es leider auch. Adlards Version von Dale und Rick gleichen sich in dieser Ausgabe immer mehr. Das führt dazu, dass es in entscheidenden Szenen oft zu Verwechslungen kommt, die sich erst durch eine genaue Analyse der Handlung auflösen lassen.
Ansonsten gibt es an der grafischen Präsentation wirklich nichts auszusetzen. Besonders beeindruckend sind die ganzseitigen Splashpages, die immer dann zum Einsatz kommen, wenn in der Handlung der nächste Schockmoment erreicht ist.
Cross Cult veröffentlicht “The Walking Dead” als A5 Hardcover. Der Band ist solide verarbeitet und die gewohnte Fadenbindung sorgt für lang anhaltenden Zombie Spaß. Zusätzlich zum Comic gibt es den inzwischen schon traditionellen Zombie Guide, der sich diesmal intensiv mit den Zombiefilmen der 1980er Jahre auseinandersetzt und somit das Thema aus dem zehnten Band weiterführt und vertieft.
Zum Start der TV-Serie hat Cross Cult auch die zum Teil vergriffenen ersten Bände neu aufgelegt. Ein idealer Zeitpunkt also, um bei dieser Ausnahmeserie, die auch Leser begeistert, die sonst mit Comics wenige Berührungspunkte haben, einzusteigen. Für Neueinsteiger eignet sich der elfte Band leider nicht. Er ist aber ein wichtiger Bestandteil des gesamten “The Walking Dead”-Epos und zeigt einmal mehr zu welchen erschreckenden Taten der Mensch fähig ist, wenn er plötzlich auf sich allein gestellt ist. “The Walking Dead 11″ ist eine hervorragende Charakterstudie mit einigen Schockelementen die sich nicht nur wegen der expliziten Gewalt an Leser jenseits der 16 richtet. Auch die moralischen Fragen setzen eine gewisse Reife voraus. Nichtsdestotrotz sollte jeder Comicfan einen Blick riskieren und möglichst schnell eventuell versäumte Bände aufholen und sich mit Rick in die finsteren Wälder begeben.
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