Seit dem 17. Mai 2011 ist nun “FreakAngels” (Band 2) erhältlich. Band 3 können interessierte Leser inzwischen ebenfalls schon käuflich erwerben. Doch darüber hinaus sieht es düster aus. Geht man vom bisherigen Erscheinungs-Rhythmus aus, hätte eigentlich im Mai 2012 Band 4 publiziert werden müssen. Doch danach sieht es nicht aus. Es gibt keine entsprechende Vorankündigung. Sollte die Serie hier in Deutschland gescheitert sein? Das wäre schade, denn Band 2 zeigt erneut, was für eine geniale Geschichte Warren Ellis erzählt.
Das fängt schon mit dem Cover an, welche Assoziation an den Sci-fi-Film “Das Dorf der Verdammten” erweckt, eine von Warren Ellis Vorbilder für diesen Comic. Man sieht es, und weiß sofort, dass trotz des menschlichen Aussehens die FreakAngels nicht human sind. Ein wohliger Schauer jagt einem über den Rücken und das Interesse an der Geschichte ist erweckt.
“FreakAngels” war ein Webcomic, der in den USA in fünf Bänden gesammelt vorliegt. Es erzählt die Geschichte, wie vor sechs Jahren die Welt unterging, und die Menschheit jetzt versucht zu überleben. Handlungsort ist das Londoner Viertel Whitechapel, welches von den sogenannten FreakAngels regiert wird. Dies sind 11 Individuen, die gemeinsam haben, dass sie Albinos sind, violette Augen besitzen und über erstaunliche Kräfte verfügen. In Band 1 mussten sie sich gegen einen Angriff auf ihr Viertel erwehren und nahmen Alice in ihre Kreise auf.
Band 2 handelt davon, was danach geschah. Es ist Abend und die diversen FreakAngels gehen ihrer Freizeitbeschäftigung nach. KK und Carolyn betrinken sich mit Teewein, während Arcady die Grenzen ihrer Kräfte auslotet. Dies wird alles äußerst kritisch von der Ärztin Miki beobachtet. Man will sich treffen und auch die Detektivin Kaitlyn sowie Alice stoßen hinzu. Doch dann kommt es zum Angriff auf die Gruppe und sie wollen zurückschlagen und Rache nehmen.
Wenn man den Comic wiederholt liest, fällt einem auf, wie wenig im Grunde genommen passiert. Warren Ellis war schon immer ein Meister darin, wenig Handlung auf möglichst viele Seiten auszuwalzen. Im Falle von “FreakAngels” tut dies dem positiven Eindruck jedoch keinen Abbruch. Denn der Autor nutzt den so gewonnen Platz, um möglichst viel aus seinen Charakteren herauszuholen.
Dabei widmet er sich besonders ausgiebig den beiden neu hinzugekommenen FreakAngels Miki und Kaitlyn. Ohne Probleme macht er sie unverwechselbar und charakterisiert sie ausgiebig. Jede Figur verfügt dadurch über eine unverwechselbare Charaktereigenschaft.
Miki ist nicht nur die Ärztin in Whitechapel, sondern auch das Gewissen der Gruppe. Sie sorgt sich um die Gesundheit der Menschen und ihrer “Geschwister”. Und damit ist nicht nur die körperliche, sondern auch die mentale gemeint.
Kaitlyn hingegen wird als paranoider Sicherheitsoffizier dargestellt. Sie schottet sich von den anderen ab und sieht alles immer unter den Aspekten von Gefahren. Sie ist daher die vielleicht ungewöhnlichste von allen und wirkt wie eine Grenzgängerin.
Doch auch die anderen Charaktere werden von dem Schriftsteller nicht vergessen. Jede Figur erhält einen Moment, der ihr alleine gehört und in dem sie sich fortentwickelt. Das sieht man beispielsweise an Connor oder Arkady. Beide scheinen etwas über den Weltuntergang zu wissen, und dass er mit ihnen im Zusammenhang steht. Doch während Arkady darüber wütend wird und Schuldgefühle empfindet, versteckt er sein Empfinden. Aber ebenso vergisst Warren Ellis nicht das Miteinander der unterschiedlichen FreakAngels. Sie wirken wie eine normale Familie, die sich streitet und dann wieder verträgt. Und deshalb sind sie sympathisch.
Fast könnte man sie als Menschen ansehen. Doch dann zieht Warren Ellis dem Leser den Teppich unter den Füßen weg und stellt klar, dass sie sich eben doch von uns unterscheiden. Es folgt ein Angriff auf das Allerheiligste von Whitechapel, den die FreakAngels dank ihrer Fähigkeiten jedoch unbeschadet überstehen. Was dann kommt, macht klar, das, was immer sie auch sind, mit dem normalen Menschen nichts zu tun hat. Sie gehen zielstrebig und äußerst brutal vor. Und wenn sie die Schuldigen gefunden haben, gilt das Motto: “Keine Überlebenden”. Die Art und Weise, wie sie dieses umsetzen, wird von Paul Duffield eindrucksvoll umgesetzt.
Dieser liefert gewohnt klasse Arbeit ab. Er lässt Whitechapel lebendig wirken, so dass man sich fast heimisch fühlt. Klar, einige Szenen und Gesichter wirken befremdlich und er macht Fehler. Doch fallen diese kaum ins Gewicht, gegenüber solchen Szenen, wenn die FreakAngels auf Menschen außerhalb von Whitechapel treffen. Dieser Moment hat eine unglaubliche emotionale Wucht, und man wird sie nicht so schnell vergessen.
Keine Zweifel also: “FreakAngels” (Band 2) ist ein Pflichtkauf.
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